Wer sind eigentlich „diese“ Freiwilligendienstleistenden? Johanniter-Unfall-Hilfe in Niedersachsen/Bremen bietet jährlich über 200 Plätze

Wer sind eigentlich „diese“ Freiwilligendienstleistenden?
Eine FSJlerin und Rettungssanitäterin der Johanniter im Einsatz. Foto: Johanniter Niedersachsen/Bremen, Marcus Brodt

Region Hannover – Wer sind eigentlich „diese“ Freiwilligendienstleistenden? Johanniter-Unfall-Hilfe in Niedersachsen/Bremen bietet jährlich über 200 Plätze und fordert die Stärkung der Freiwilligendienste.

Tausende junger Menschen werden in den nächsten Wochen die Schule beenden und überlegen sich, im Anschluss ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) oder einen Bundesfreiwilligendienst (BFD) zu absolvieren.

Der Landesverband Niedersachsen/Bremen der Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH) hat, um sich noch besser auf seine Freiwilligen einzustellen, eine Analyse erstellt, die einige überraschende Ergebnisse rund um den Freiwilligendienst liefert. Insbesondere im Hinblick auf die aktuell von der Bundesregierung ab 2024/25 geplanten Kürzungen im Bereich der Freiwilligendienste unterstreichen zentrale Ergebnisse dieser Studie, wie unverzichtbar eine verlässliche Förderung und Stärkung in diesem Bereich sind.

Denn noch immer ist bei den Interessierten für ein FSJ oder BFD der Familienhintergrund entscheidend und scheint finanziell oder sozial schwächere Jugendliche vom Dienst beinahe auszuschließen. Der Freiwilligendienst wird mit einem Taschengeld in Höhe von 518 Euro monatlich entlohnt. Die Freiwilligen werden sozialversichert und erhalten 30 Tage Urlaub. Eine Unterkunft allerdings kann die JUH nicht stellen, der Freiwilligendienst wird also in der Regel von den Eltern ideell und finanziell unterstützt. „Einen Freiwilligendienst muss man sich leider leisten können. Es wäre wünschenswert, wenn auch mehr Menschen aus finanziell schwächeren Familien an den Diensten teilnehmen könnten“, erklärt Bodo Dannhöfer als Verantwortlicher für die Freiwilligendienste im Landesverband.

Die Planungen der Bundesregierung allerdings würden diese Diskrepanz erheblich verstärken. Laut Hannes Wendler, Landesvorstand der Johanniter-Unfall-Hilfe Niedersachsen/Bremen sei die bereits für 2024 geplante Mittelkürzung daher ein völlig falsches Signal:

„Freiwilligendienste sind ein wichtiger Teil des bürgerlichen Engagements. Wir brauchen also neben einer gesellschaftlichen auch eine finanzielle Stärkung dieses Engagements und den Ausbau des Angebots, so dass jeder und jede die gleiche Chance auf ein FSJ hat. Nicht selten wird aus dem FSJ zudem eine ehrenamtliche Tätigkeit oder eine Berufsausbildung bei uns.“ Entsprechend unterstützen die Johanniter auch bundesweit die Petition https://www.fwd-staerken.de/unterschreiben.

Die gesamte Studie der Johanniter und ihre Analyse läuft seit 2017, bisher liegen dazu rund 3.000 Datensätze vor. Sie wurden anhand von 530 Interviews mit Freiwilligen aus den Einrichtungen der JUH erstellt und durch weitere Jugendstudien, wie zum Beispiel den Kinder- und Jugendbericht des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend oder die der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung ergänzt. „Der Freiwillige“ ist demnach 20 Jahre alt, knapp überwiegend männlich, hat deutlich mehrheitlich Abitur und leistet seinen Freiwilligendienst meistens in den Sozialen Diensten wie Hausnotruf, Menüservice oder Kindertagesstätten ab. „Zu den Johannitern kommen Interessierte über das Internet und den sozialen Nahbereich, also Freunde, Familie oder Bekannte“, erklärt Bodo Dannhöfer.

Wer sind eigentlich „diese“ Freiwilligendienstleistenden? Laut einer Analyse der Bertelsmann Stiftung von 2022 machten im Jahr 2020 fast 85.000 junge Menschen im Alter bis 27 Jahren einen Freiwilligendienst. Das entspricht circa 11,1 Prozent der Schulabsolventen. Über Abitur verfügten 59% aller Freiwilligen im Jahr 2020, fand der 16. Kinder- und Jugendbericht heraus. Viele nutzen den Freiwilligendienst aber auch als praktischen Teil zur Erlangung der Fachhochschulreife.

Die Motivation der Teilnehmenden für einen solchen Dienst resultiert aus der individuellen Schnittmenge von Motiv, Anlass, Thema und zeitlicher Limitierung, das heißt als Art Projektcharakter. Für viele Freiwillige ist der Freiwilligendienst eine Form der verlängerten Jugend, auch wenn sie in dieser Phase des Engagements viele wertvolle Erfahrungen für das anstehende Berufsleben machen.

Wer den Zivildienst von früher noch als Ersatzdienst zur Bundeswehr kennt und denkt, dass der Freiwilligendienst diesen 1:1 abgelöst hat, der irrt. „Das ist nicht der Fall. FSJ und BFD sind absolut freiwillig und jeweils ein Dienst an der Gemeinschaft. Beide Dienstformate dauern in der Regel zwölf Monate und können mit einer vierwöchigen Frist gekündigt werden“, klärt Dannhöfer auf.

Die JUH bietet das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) für alle junge Menschen im Alter bis 27 Jahren an, die ihre Schulpflicht erfüllt haben. Der Bundesfreiwilligendienst (BFD) steht dabei auch für Menschen offen, die älter sind als 27 Jahre. Beide Formate sind für junge Frauen und Männer gleichermaßen attraktiv. Nach der Schulausbildung bildet ein Freiwilligendienst eine willkommene und anerkannte Übergangsphase zur Berufsausbildung, zum Studienplatz und zur Selbstfindung.

Das Besondere: In den zwölf Monaten werden die Freiwilligen pädagogisch unter anderem mit mindestens 25 Seminartagen begleitet und können ihre Erfahrungen in der Gruppe austauschen und gemeinsam reflektieren. Darin enthalten sind auch die jeweilige fachliche Ausbildung für das Einsatzgebiet (zum Beispiel die Ausbildung zum Rettungshelfenden oder-sanitäter). Hinzu kommt, dass pädagogische Fachkräfte die jungen Menschen während des Freiwilligendienstes intensiv vor Ort in den Verbänden betreuen.

„Die Freiwilligendienste bieten damit die Chance, bereits vor dem Berufseinstieg eine Menge Erfahrungen zu sammeln, was sich unter anderem prägend auf die jeweilige Persönlichkeitsentwicklung und anschließende Berufsfindung auswirken kann“, sagt Bodo Dannhöfer. In den 60 Ortsverbänden der JUH in Niedersachsen und Bremen gibt es vielseitige und beliebte Einsatzgebiete wie Rettungsdienst, Krankentransport, Fahrdienst, Hausnotruf, Menüservice, Erste Hilfe-Ausbildung, Jugendarbeit oder Kindertageseinrichtungen. „Neben geeigneten Qualifizierungsmaßnahmen für den Einsatzbereich lernen die jungen Menschen fürs Leben. Sie integrieren sich in ihre neuen Teams, finden neue Freunde und machen sehr viele soziale und besondere Erfahrungen. Und natürlich erhalten die Absolventen zum Abschluss ein qualifiziertes Zeugnis. Ein Freiwilligendienst macht sich immer gut im Lebenslauf“, unterstreicht Dannhöfer.

Weitere Infos zu den Freiwilligendiensten der Johanniter in Niedersachsen und Bremen unter: www.johanniter.de/fsj-bfd-nb

SCN/rw