Neustadt und Garbsen erhöhen Druck auf Wasserverband

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Neustadt – Die Bürgermeister von Garbsen und Neustadt machen sich Sorgen um die wirtschaftliche Entwicklung des Wasserverbands Garbsen- Neustadt (WVGN). Kommunalpolitisch wächst der Druck angesichts hoher Wasserpreise und Nitratwerte im Trinkwasser, die sich nah an den Grenzwerten bewegen. Seit Monaten suchen die Bürgermeister das Gespräch mit der Führung des WVGN und verlangen Lösungsvorschläge – bislang ohne zufriedenstellende Ergebnisse. Deshalb fordern sie nun öffentlich umfassende Informationen vom Verband.

In einem gemeinsamen Pressegespräch haben die Bürgermeister Dominic Herbst (Neustadt) und Dr. Christian Grahl (Garbsen) eine wenig optimistische Einschätzung der wirtschaftlichen Situation des Verbandes gegeben. „Wasser wird klimabedingt immer knapper und wertvoller. Nur ein gesunder Dienstleister wird in der Lage sein, uns qualitätsvolles Wasser zu angemessenen Preisen zu liefern“, so die beiden Bürgermeister übereinstimmend. „Hält die Entwicklung an, fürchten wir, den WVGN mit einer Kapitaleinlage stärken zu müssen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten“, erklären Herbst und Grahl. Die niedrige, branchenunterdurchschnittliche Eigenkapitalquote des WVGN sei beunruhigend. Man frage sich, ob die Kommunen bereits zeitnah haushalterische Vorsichtsmaßnahmen treffen müssen.

Der WVGN steht öffentlich bereits seit Monaten in der Kritik. Vor allem hohe Nitratwerte und steigende Preise sorgen in der Bevölkerung für Unmut. Mehrere private und politische Initiativen forderten, die Nitratwerte zu senken – bislang ohne Ergebnis. Dazu kam ein Versorgungsengpass im Sommer 2019.

Man habe sich die Situation des Verbandes genau angeschaut und mit Fachleuten analysiert, erklärt Neustadts Bürgermeister Dominic Herbst. Das Ergebnis ist ernüchternd: „Der WVGN ist stark verschuldet und die Eigenkapitalquote ist viel zu gering. Der Sanierungsbedarf der technischen Anlagen und des Netzes ist dage- gen sehr groß und der Wasserpreis steigt immer mehr“ “, fasst Grahl zusammen.

„Darüber hinaus gibt es ein Wasserqualitätsproblem durch hohe Nitratwerte in Neustadt“, sagt Herbst. „Wenn diesen Problemen weiter nur durch Preiserhöhungen begegnet wird, ist das den Bürgerinnen und Bürgern nicht mehr zuzumuten. Das können wir als Anteilskommune nicht länger verantworten“, sagt Herbst.

Die Führung des WVGN stellt sich nach Einschätzung der Verwaltungschefs nur bedingt dieser kritischen Situation und hat keine überzeugenden Lösungsvorschläge präsentiert. Für die beiden Bürgermeister sind Kooperationen des WVGN mit öffentlichen Versorgern wie Leinenetz oder den Stadtwerken Neustadt und Garbsen vielversprechende Optionen. „Die Stadtnetze und Stadtwerke Neustadt haben einen niedrigeren Wasserpreis und das qualitativ bessere Wasser. Sie verfügen über ein modernes Netz und eine hohe Eigenkapitalquote, um Zukunftsinvestitionen zu realisieren“, zählt Herbst auf.

Der WVGN müsse nun Antworten geben, machen Christian Grahl und Dominic Herbst abschließend klar. Ihre dringenden Fragen:
• Wie kann die Wasserversorgung für die Stadt Garbsen und die Stadt Neustadt vor dem Hintergrund möglicher Kooperationen wirtschaftlich, technisch, steuerlich, kundenorientiert, umweltschonend, standorttechnisch und konzessionsorientiert optimiert werden?

• Welche Modelle zur Neustrukturierung der Wasserversorgung gibt es?
• Wie können die Preise im Vergleich zu anderen niedrig gehalten und der hohe Nitratwert im WVGN-Versorgungsgebiet gesenkt werden?

Angesichts der finanziellen Situation des WVGN – als Spitzenreiter mit den höchsten Wasserpreisen unter den 25 größten Städten in Niedersachsen – ist nicht mehr auszuschließen, dass der WVGN Verbandsbeiträge bei seinen Mitgliedskommunen erheben muss. Garbsen und Neustadt a. Rbge. nehmen als größte Mitgliedskommunen rund 75 Prozent der gesamten Wasserlieferung ab, mit rund 4,2 Millionen Kubikmeter Wasser. Die übrigen Gemeinden nehmen nur 1,3 Mio. Kubikmeter ab. Entsprechend hoch würde beide Städte die Erhebung von Beiträgen treffen. Am stärksten wäre die Stadt Garbsen betroffen, die alleine 3,16 Mio. Kubikmeter Wasser abnimmt.

Die Erhebung von Beiträgen ist potenziell geeignet, die Haushalte beider Kommunen erheblich zu belasten. Dies ist angesichts der finanziellen Verpflichtungen und der anstehenden Investitionen nicht hinnehmbar. Umso mehr dringen beide Städte darauf, andere Wege zu finden, um das Wassernetz bei einem vertretbaren Wasserpreis in wirtschaftlich angemessener Zeit zu erneuern und zu betreiben.

Hintergrund:

Der Wasserverband Garbsen-Neustadt wurde 1959 gegründet. Verwaltungssitz ist Garbsen. Neun Städte und Gemeinden sind Mitglied im Verband. Das Versorgungsnetz verteilt sich auf eine Fläche von 624 Quadratkilometer. 115.000 Kunden sind an dieses Netz angeschlossen. Durch die Rohre strömen pro Jahr rund 5,4 Millionen Kubikmeter Wasser für Privathaushalte, Landwirtschaft und Gewerbe. Der Verband bezieht das Wasser aus eigenen Brunnen in Hagen (Neustadt) und Forst Esloh (Dedensen).

Das Netz hat eine Länge von 900 Kilometern. Im Osten sind die Ortschaften Engel- bostel, Schulenburg und Resse angeschlossen. Im Norden reicht das Netz bis Lichtenhorst in der Gemeinde Steimbke und Nienhagen (Schwarmstedt). Garbsen wird komplett und Neustadt bis auf die Kernstadt, Poggenhagen und Suttorf vom Verband versorgt. In Wunstorf sind es Luthe und Kolenfeld, in Seelze ist es Dedensen. Südlichste Kommune ist Holtensen (Barsinghausen). Der Verband beschäftigt 61 Mitarbeiter. Der Arbeitspreis liegt bei 1,73 Euro pro Kubikmeter Wasser.

Technischer Zustand des Netzes:

Netzerneuerungsrate:
Die Netzerneuerungsrate des WVGN ist vergleichsweise gering. Die Leitungen des WVGN sind zum Teil 60 Jahre alt und sanierungsbedürftig.

Investitionen pro m3 Netzabgabe:
Die Investitionen pro m3 Netzabgabe liegen in 2017 mit 0,56 €/m3 bei erster Draufsicht über dem Branchendurchschnitt (0,49 €/m3 ). Das Problem: Investitionen werden als Aufwand verbucht und damit direkt gegen den Wasserpreis gerechnet. Dies führt zur Erhöhung des Wasserpreises.

Kaufmännische Bewertung:

Eigenkapitalquote:
Die Eigenkapitalquote beträgt in 2016 15,1 Prozent und in 2017 14,1 Prozent. Ver- gleichbare Wasserversorgungsunternehmen verfügen über eine Eigenkapitalquote von über 50 Prozent. In den früheren Jahren hatte der WVGN negatives Eigenkapital. Erst durch die signifikanten Wasserpreiserhöhungen wurde die Eigenkapitalquote erhöht. Das Eigenkapital ist für die anstehenden Anlagen- und Netzerneuerungen zu niedrig.

Gesamt- und Kapitalkosten:
Die Kapitalkosten des WVGN liegen mit 0,48 €/m3 zu hoch. Dies liegt an der Unterfinanzierung mit Eigenkapital. Die Gesamtkosten des WVGN sind mit 1,82 €/ m3 Netzabgabe branchenüberdurchschnittlich.

Gesamtbewertung:
Eine erste Analyse und Bewertung von Zahlen des WVGN sind besorgniserregend. Die Jahresergebnisse des WVGN der Jahre 2016 und 2017 waren negativ. Das Jahresergebnis 2018 basiert ausschließlich auf der Erhöhung des Wasserpreises: Eine Steigerung auf ca. 692.000 € konnte nur durch eine drastische Preiserhöhung auf aktuell 1,75 €/m3 erreicht werden. Die Steigerungen der Wasserpreise bedeu- ten eine Steigerung um 65 Prozent gegenüber dem Jahr 2013 und etwa 200 Prozent gegenüber den Preisen von 2005 bis 2011 (0,84 €/m3 bis 0,90 €/m3). Dennoch konnten die vorhandenen Probleme nicht gelöst werden.

NCN/la