Neustadt – Die „Corona-Disziplin“ auf dem Bau sinkt: Auf immer mehr Baustellen in der Region Hannover wird gegen Abstands- und Hygieneregeln verstoßen. Das kritisiert die
IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU). „Viele Baufirmen nehmen die Ansteckungsgefahr mit
dem Corona-Virus auf die leichte Schulter.
Das ist fatal“, sagt die Vorsitzende der IG BAU Niedersachsen-Mitte, Stephanie Wlodarski. Immer häufiger werde wieder „im alten Trott“ gearbeitet – wie vor der CoronaPandemie. Viele Bauunternehmen blendeten die Gefahr einer Infektion mit dem Covid19-Virus inzwischen einfach aus, so die IG BAU.
Bei ihren Baustellen-Visiten stoße die Gewerkschaft auf „grobe Corona-Sünden“: „Oft ist nicht einmal das Händewaschen möglich. Ein Waschbecken mit Seife und fließendem Wasser – Fehlanzeige. Von Desinfektionsmittel-Spendern ganz zu schweigen. Aber auch Sammeltransporte in Bullis sind schon längst wieder an der Tagesordnung. Genauso Frühstücks- und Mittagspausen dicht an dicht im Bauwagen“, sagt Stephanie Wlodarski.
Corona-Schutz auf dem Bau koste – wie in anderen Bereichen der Wirtschaft auch –
Geld. Das seien allerdings notwendige Kosten, die die Bauunternehmen in der Region
Hannover nicht scheuen dürften, fordert die IG BAU Niedersachsen-Mitte: „In der
Corona-Pandemie zeigen Baubeschäftigte in der Region Hannover volle Leistung.
Dafür haben sie auch vollen Gesundheitsschutz verdient.“
Die IG BAU-Bezirksvorsitzende Wlodarski appelliert an die Baubeschäftigten in der
Region Hannover, strikt darauf zu achten, sich zu schützen: „Regelmäßiges Händewaschen, Schutzmasken und das Arbeiten mit Abstand gehören zu den To-dos
auf dem Bau. Denn Corona-Schutz ist Arbeitsschutz. Und den müssen Beschäftigte
notfalls selbstbewusst einfordern“, macht Wlodarski deutlich.
Dass das Arbeiten unter freiem Himmel das Infektionsrisiko reduziere, sei nur die halbe
Wahrheit, so die IG BAU-Bezirksvorsitzende. Spätestens beim Innenausbau und beim
Sanieren sehe das dann schon ganz anders aus. Zudem lauere bei gemeinsamen
Pausen eine hohe Infektionsgefahr.
Ebenso auf dem Weg zur Baustelle im Sammeltransporter: „Hier müssen Arbeitgeber Einzelfahrten möglich machen – und den Bauarbeitern dafür auch etwas bieten“, fordert Stephanie Wlodarski. An- und Abfahrten zwischen Wohnort und Baustelle würden bislang in der Regel nicht entschädigt. „Dabei legen Bauarbeiter oft enorme Strecken zurück. Das ist verlorene Zeit für sie“, kritisiert die IG BAU-Bezirksvorsitzende. Für diese Wegezeit nichts zu bekommen, sorge für immer mehr Unmut und Ärger unter den Bauarbeitern.
Immerhin diktiere der Chef, wer wann zu welcher Baustelle fahren müsse. Die Wegezeit ist für einen Großteil der Baubeschäftigten in der Region Hannover längst zu einem „wunden Punkt“ geworden, so die IG BAU. Trotzdem hätten die Arbeitgeber bei den Tarifverhandlungen für das Bauhauptgewerbe zur Wegezeit kein Angebot auf den Tisch gelegt. „Auch in puncto Lohn und Gehalt kam nichts von den Arbeitgebern. Sie gehen stattdessen auf Konfrontationskurs“, so Stephanie Wlodarski.
Die IG BAU werde jedoch nicht lockerlassen: „Gerade auch nach den Erfahrungen, die
viele Baubeschäftigte in der Corona-Pandemie gemacht haben und nach wie vor machen müssen, wird die IG BAU die Wegezeit in der bevorstehenden Schlichtung
wieder auf den Verhandlungstisch packen.“ Dies wird, so die Erwartung der IG BAU, in
der letzten Augustwoche (voraussichtlich am 26. August) der Fall sein.
Im Fokus der Verhandlungen steht dann auch die Lohnforderung der IG BAU: ein Plus
von 6,8 Prozent, mindestens jedoch 230 Euro pro Monat mehr für die Baubeschäftigten.
Darüber hinaus sollen Azubis aller Ausbildungsjahre 100 Euro zusätzlich im Monat erhalten. „Mehr Arbeitsschutz und mehr Lohn – das hat der Bau verdient. Und die
Bauunternehmer können es sich leisten. Denn der Bau boomt – auch in der Region
Hannover“, sagt Stephanie Wlodarski.
NCN/pk